Ich lese so viele aufgezeichnete Erinnerungen ehemaliger Soldaten wie möglich. Darunter waren einige ausgezeichnete, welch ich euch hier sehr empfehlen könnte. Und trotzdem ist es mir bei der hier Vorliegenden ein besonderes Anliegen.
Jörn Roes hat in unzähligen Gesprächen mit seinem Grossvater dessen Erinnerungen vervollständigt, welche letzterer selber nie ganz zu Papier brachte, weil sie schlicht zu aufwühlend waren. Zuerst liess ich mich von dieser Konstellation abschrecken, weil mich bei der Sache 3.Person Erzähler langweilen. Das Buch ist aber komplett aus der Ich-Perspektive geschrieben und unglaublich spannend erzählt!
Seit seinem 13. Lebensjahr arbeitet der 1925 geborene Wilhelm Roes einsam und unter äusserst harten Bedingungen als Schiffsjunge. Im November 1941 meldet er sich mit 16 Jahren aufgrund eines Plakats zur Waffen-SS und kommt später zur LAH. In Lichterfelde beginnt die absolut unmenschliche Behandlung und Schleiferei, wie sie auch schon von Herbert Maeger in Verlorene Ehre - Verratene Treue eindrücklich geschildert wurde. LAH steht schon bald für Lauter Arme Hunde und SS für Selber Schuld. Kurz vor der Rückeroberung Charkows kommt Wilhelm Roes als Funker auf Panzer III und IV zur Fronttruppe, nicht ohne bereits einen Partisanenüberfall überlebt zu haben.
Der Weg der LAH ist bekannt. Charkow, Kursk, Brenner, Italien, wieder Russlan (nun aber ganz andere Stimmung), Normandie. Wilhelm Roes war überall mit dabei und doch besticht das Buch gerade durch die Erlebnisse abseits der Kämpfe. Gefühle und Emotionen spielen eine wichtige Rolle. Sehr gut wird beschrieben, wie man euphorisch war, wie man den Tod verarbeitete oder eben verdrängte, wann man nicht mehr an ein siegreiches Ende glaubte, wie der Panzer Schutz gab und plötzlich nicht mehr, etc. Mehrmals kommt Wilhelm Roes nur ganz knapp mit dem Leben davon. Für uns heute eigentlich unvorstellbar.
Nochmals besonders (also besonders vom Besonderen) sind die Schilderungen aus der Normandie. Nicht 20 Fachbücher können diese Eindrücke und das Verständnis, welches man danach hat, ersetzen. Züge fuhren keine oder selten. Wo die LAH war, wusste man nicht. Tagelang fährt und vor allem läuft Roes allein durch die unübersichtlichen Hecken der Normandie. Weit und breit keine deutschen Truppen. Nur überall Jabos und Schiffsartillerie. Auch für einen erfahrenen Russlandkämpfer eine völlig neue Situation.
Nach einer schweren Verwundung kam Roes wieder in die Heimat und ab Februar 1945 zur 10.SS-Pz.Div. Frundsberg. In wochenlangen Märschen entging er der Gefangenschaft und erreichte später sein Zuhause. Die Erzählungen bestechen durch Ihre Ehrlichkeit und die sehr persönlichen Gefühle und Gedanken von Wilhelm Roes.
Die, die wissen wollen, wie es gewesen ist, wie es in den Soldaten drinnen aussah und sich für mehr interessieren als den Unterschied eines Panzer IV Ausf. G und Ausf. H, sollen dieses Buch unbedingt lesen.
Wenn Du keine Leseratte bist: Es liest sich extrem gut und ist sehr spannend. Bei 200 Seiten ist man schnell durch.
Wenn das Geld für die letzte Friul Kette drauf ist oder für die Dora gespart wird: es kostet nur 16.90 €
Alle anderen müssen es sowieso lesen! Gerade über die Zustände in der Normandie kriegt man auf den paar Seiten einen sehr guten Eindruck.
Ich habe wirklich schon sehr viel gelesen und kann sagen, dass dieses besonders gut ist und einem die Stimmung von Charkow bis Kriegsende sehr gut vermitteln kann.