Nach dem Zweiten Weltkrieg hielt die US Army gepanzerte Selbstfahrlafetten mit geschlossenem Kampfraum für erforderlich. Durch Umdrehen vorhandener Panzerwannen konnte der Turm hinter den Motor gesetzt werden. Die Quellen widersprechen sich, welches Chassis hier verwendet wurde -- einige behaupten M48, andere M47. Da die Fotos zeigen, dass die Wanne senkrechte Seitenwände hatte und das zugehörige TM Ketten vom Typ T80 E6 oder T84 E1 vorschreibt, bin ich sicher, dass die M47-Wanne verwendet wurde. Auf ihr entwickelte man zwei "Vollketten-Selbstfahr-"Geschütze: "155mm Gun Cannon T97" und "8 inch Howitzer Cannon T108", die um 1954 als M53 bzw. M55 standardisiert wurden. Äußerlich unterschieden sie sich durch die Rohre und deren Marschzurrungen: gerade für das lange Rohr, mit einem Doppelknick nach hinten für die Haubitze. Im Turm-Inneren wurden hinten rechts 10 Geschosse vom Kaliber 203 mm gelagert, mit der Spitze in Schussrichtung, bzw. 20 mal 155 mm mit der Spitze nach links; die Kapazität der Treibladungsregale links variierte entsprechend. Ein Granatenaufzug war nur in der Haubitze installiert. -- Die US Army nutzte diese Fahrzeuge anscheinend nicht besonders lange, während die Marines beide Typen noch im Vietnamkrieg einsetzten. -- An ausländischen Nutzern der M55 sind mir Italien, Belgien, Türkei und Westdeutschland bekannt; die 16 Bundeswehr- Exemplare wurden 1966 ausgemustert. Vermutlich ist die relativ wenige Verbreitung dieser Fahrzeuge verantwortlich für die geringe Zahl an Referenzen -- ein oder zwei Fotos in fast allen Bildbänden zum Vietnamkrieg, kurze Erwähnungen hier und da, aber in der Hauptsache muss man als Modellbauer mit TM 9-2350-210-12 vom Juli 1959 auskommen; TM 9-3025 vom September 1957 ist auch nützlich, ebenso verschiedene Seiten im Internet, die ich unten aufgeführt habe.
Es handelt sich um die Revell-Wiederauflage des alten RENWAL-Kits von etwa 1960, in meinem Fall in der "History Makers"-Version von 1982. Die RENWAL-Militärbausätze waren alle schon nicht auf der Höhe der damaligen Zeit, aber die M55 war der schlimmste. Angeblich 1:32, ist er tatsächlich näher an 1:30. All seine weiteren Fehler aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen -- stattdessen hier die Teile, die ich unverändert verwendet habe: alle "gummibereiften" Rollen und ihre Aufhängungen (zu denen gleich mehr), die Schaufel des Erdsporns, und der Verschlusshebel. Punkt. Alles andere musste heftig überarbeitet, ersetzt oder gleich ganz scratch gebaut werden. So dass es sich hier weniger um einen Bausatz handelt als um ein Scratchbau-Projekt. Wer also eine M55 mit Inneneinrichtung in seiner Sammlung haben will, sollte mit dem Elite-Resinmodell beginnen und das aufbessern -- das ist nicht mehr Arbeit, versprochen! Und hier noch etwas für die Klein-Maßstäbler: Das ROCO-Modell ist eine exakte Kopie -- nicht des Originals, sondern des RENWAL-Produkts!
Eine Fotokopie des TM erhielt ich über das Königliche Heeresmuseum in Brüssel, und die freundlichen Leute dort erlaubten mir sogar einen mehrstündigen Aufenthalt in ihrem Exemplar der M55 (damals noch nicht restauriert, heute im Gunfire Museum Brasschaat bei Antwerpen zu besichtigen), um Maße zu nehmen. Rückblickend war das ein fataler Fehler, denn ich war ohnehin schon ein Nietenzähler, und angesichts all der Dinge, die ich ohnehin ändern musste, hat es mich hier und da heftig fortgerissen, während ich über 22 Jahre (!) hinweg aus dem schlimmsten Bausatz, den ich je hatte, das Prunkstück meiner Sammlung gemacht habe. Zugegeben, das war kein Nonstop-Bau, denn nach einiger Zeit des Bastelns ohne wirklich erkennbaren Fortschritt musste ich immer mal einen anständigen Kit verarbeiten, um nicht auch noch die spärlichen Reste von Verstand zu verlieren. Ich habe keine Vorstellung mehr, wieviel Zeit in dem Ding steckt, schätze aber, dass es deutlich über 1000 Stunden waren, nicht gerechnet all die Zeit, die ich über den Referenzen gebrütet habe, die genau das partout nicht zeigten, was ich dringend wissen musste. Als mir schwante, worauf ich mich eingelassen hatte, habe ich mir ein zweites Exemplar des Kits gekauft und an einem Wochenende OTB gebaut, damit ich später erkennen konnte, was alles ich verändert hatte. Und wenn ich das alles im Detail beschreiben würde, wäre wieder jeglicher Rahmen gesprengt; daher beschränke ich mich auf das, was mir am wichtigsten scheint.
Wanne
Am Wannenboden klebte ich Stücke von 1 mm-Sheet auf 2 x 2 mm-Plastikprofile entlang der Wannenmitte und andere an den Rand zwischen die Drehstäbe. Darauf kam dann eine durchgehende 0,5 mm-Platte mit Ausschnitten für die Drehstäbe, die mit entsprechenden Platten abgedeckt wurden. Die Drehstab-Gehäuse entstanden aus Trinkhalm, die Drehstab-Anker daneben aus Gießast-Stücken. Das "Gehäuse" für die durchgehende (!) Bausatz-Achse der Umlenkrollen wurde entfernt, und die verbleibenden Schwingarme erhielten Verlängerungen für Kegelstumpf-Anschlagfedern. Ein paar "Deckel" für Inspektionsöffnungen machten das Modell auch auf einem Spiegel stehend präsentabel.
Die Oberwanne bot ganz andere Probleme. Die mittleren Motorabdeckungen waren niedriger als die seitlichen "Lattenroste", wodurch das gesamte Maschinendeck eine falsche Neigung erhielt; die Staukästen hatten abgerundete Kanten, bei Lufteinlass und Auspuff konnte man quer durchschauen, die Scheinwerfer waren platt -- mit einem Wort, das ganze Teil musste auseinandergesägt werden, damit einige Teile in anderen Winkeln wieder zusammengeklebt werden konnten und damit auch sonstige Korrekturen möglich wurden. Die Getriebeabdeckungen mussten erneuert und alles mit vielen Details versehen werden, bevor die Sache in etwa dem Vorbild ähnelte. Auspuffrohr und Generator-Schalldämpfer kamen nach rechts, und das neue Abdeckgitter hier ließ ich weg, damit man sie sehen kann. Zwei Kegelstumpf-Turmanschläge kamen an die Motorraum-Rückwand, und zwei Tankeinfüllstutzen wurden neben den Kettenabdeckungen eingeritzt. Die Stützen des Erdsporns wurden ringsum verschlossen und durch eine Mittelstrebe verbunden. Drei Stücke gezogener Gießast wurden angeklebt als Ösen für das Sporn-Hebeseil und die beiden Haken, die den Sporn beim Marsch halten. Noch ein Detail: Alle Ausssteifungen der Schaufel haben im Original ein linsenförmiges Loch, damit in der Marschposition Wasser abfließen kann; dafür fiel mir kein Werkzeug ein, und ich hatte ausnahmsweise mal keine Lust, sie alle neu zu machen.
Turm Von den Bausatzteilen ließen sich nur wenige als Basis für Korrekturen verwenden: Dem Turmboden wurden die Trittbretter abgesägt und die wenigen vorhandenen Details entfernt, bis auf die "Badewanne" um das Geschütz herum und die beiden Leisten auf ihrem Boden; die beiden Lafettenhälften wurden ebenfalls saubergeschliffen. Rück- und Seitenwände qualifizierten sich so wenig wie alle Türen; das Dach mit der anhängenden Vorderwand schien zu kompliziert für einen Scratchbau (ha!) und durfte daher bleiben, wie auch der "Rahmen" um das Geschützrohr. Aus demselben Grund hob ich auch die beiden hintersten Teile des Rohres auf, ebenso die Kommandantenkuppel einschließlich Luke; alles andere wanderte in die Abfallkiste. Bei dem OTB-Modell berührt die Turm-Rückwand die äußeren Scharniere des Sporns und kippt damit den Turm bei Drehung nach vorn. Um das am korrigierten Modell zu verhindern, habe ich den Turmsockel um 2 mm erhöht. Die Entfernung der Details vom Turmboden hatte Löcher geschaffen, die gefüllt wurden. Die Lafetten bekamen Platten eingeklebt, um sie "massiv" zu machen, und erhielten dreieckige Einschnitte am Boden. Sie wurden dann so bearbeitet, dass sie näher zusammen eingebaut werden konnten, auf den Leisten am Wannenboden. Ein durchlöcherter Ring aus dünnem Sheet wurde auf den verdünnten Wannenrand und in Schlitze in den Lafetten geklebt.
Der Ansetzer wurde ebenfalls komplett scratch gebaut, mit Kurbeln für den Handbetrieb links und Bedienungshebeln aus Oberhemd-Verpackungsnadeln. Um die korrekte Länge für die Ladeschiene zu finden, habe ich sie beweglich gebaut, was mir auch die Begründung lieferte (als wenn ich eine gebraucht hätte!) für einen beweglichen Verschluss. Der Ansetzermotor betreibt im Original auch die Trommel der Erdsporn-Winde, daher die Umlenkrolle hinter ihm im Boden.
Die Geschützöffnung wurde verschmälert durch Einkleben der seitlichen Teile des Bausatz-Rahmens, denen die "Ohren" abgeschnitten waren; links kam noch ein 2 mm-Streifen Styrol hinzu, um die Öffnung auf die Breite des neuen
Neue Seitenwände wurden aus 1 mm-Sheet geschnitten, mit entsprechenden Türöffnungen, die mit schmalen Plastikstreifen eingefasst wurden. Der Turm-Ventilator entstand aus dem Ende einer Nähgarn-Spule mit einem eingeklebten Stück Gießast, mit passenden Halterungen und einer Polsterung des Schutzbügels aus schwarzem Weißleim. Sein Auslass wurde innen aufgebaut und draußen heftig überarbeitet. Schließlich kam noch ein Ventilator-Schalter an die Wand. Andere Schalter, Schaltbretter und Instrumente wurden um den Fahrersitz herum und überall sonst angebracht, wo sie hingehörten, ebenso Deckenleuchten und Kopfhörer-Anschlussboxen, die nach Eigenbau-Mustern aus Gießharz hergestellt wurden. Dies alles korrekt (oder sollte ich sagen "extrem") mit Lötdraht und gezogenem schwarzem Gießast zu verkabeln erforderte viel zusätzliche Zeit. Die zweiteiligen Seitentüren wurden aus 0,5 mm-Sheet geschnitten und erhielten Scharniere aus Plastik sowie Verschlusshebel aus Kupferdraht, beides funktionierend.
Um ihre Beschädigung zu verhindern, wurden die Ersatz-Trittbretter aus Alublech erst ganz zum Schluss montiert, zusammen mit den Turmdreh-Anschlägen und zahllosen kleinen Details ringsherum. Auch noch eine Spitzhacke in 1:32 zu konstruieren war mir aber denn doch zuviel.
Die Bemalung geschah im Rahmen des Baufortschritts: Da ich nicht mit einer Airbrush arbeitete und die vielen beweglichen Details auch beweglich bleiben sollten, mussten all die kleinen Baugruppen im Turm separat bemalt werden, bevor sie installiert werden konnten.
Und so kam, was zwischendurch eine unendliche Geschichte schien, schließlich doch zu einem Ende.
Empfohlene Referenzen:
© 09/2018 Peter Schweisthal
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