Geländewagen Mercedes-Benz G4


Der fertig restaurierte Mercedes Benz G4

In diesem "In Detail - SPEZIAL" möchten wir etwas ganz besonderes zeigen, nämlich exklusive Infos und Fotos von der Restauration eines Geländewagens Mercedes benz G4.
Das Copyright der Fotos und der Texte liegen bei Daimler-Chrysler!

Besonderen Dank für die Vermittlung zu Fotos und Text geht an Sven Heimroth!

Das einzigartige Fahrzeug aus dem Besitz des spanischen Königshauses wurde im Mercedes-Benz Classic Center aufwändig restauriert
Drei Jahre Arbeit versetzten die Technik in einen perfekten Zustand
Die Patina aus 66 Jahren Geschichte blieb erhalten.

Das Auto ist ganz selten: Ein Geländewagen Mercedes-Benz G4 aus dem Jahr 1939 im Originalzustand, heute im Besitz des spanischen Königshauses. Entsprechend außergewöhnlich war die klare Restaurierungsvorgabe an das Mercedes-Benz Classic Center: Die Arbeiten sollten den G4 in technisch absolut einwandfreien Zustand versetzen – ihm aber die einzigartige Patina seines Alters von 66 Jahren belassen. So mag der schnelle Blick den ein oder anderen Betrachter irritieren: Sieht so das Ergebnis einer dreijährigen akribischen Arbeit aus? Ja, denn die Gebrauchsspuren im Interieur und Blessuren am Exterieur wurden bewusst nicht entfernt. Sie bezeugen die Geschichte des G4 und machen ihn zu einem authentischen Fahrzeug.

Der G4 des spanischen Königshauses ist einer der ganz wenigen überlebenden Exemplare dieses dreiachsigen Geländewagens – nur drei Stück von insgesamt 57 in den 1930er Jahren gebauten gelten als absolut authentisch. Weitere Fahrzeuge sind bekannt, doch ist die Originalität nicht einwandfrei belegt. Bevor der G4 in den königlichen Fuhrpark gelangte, benutzte ihn General Franco, der ihn als Geschenk aus Deutschland erhielt. Während der vergangenen Jahrzehnte pflegte die Königliche Garde in Madrid den Geländewagen und hielt ihn instand. Die Klassiker im königlichen Fuhrpark sind der Garde eine Herzensangelegenheit – als der G4 zusammen mit einem Mercedes-Benz Typ 770, gleichfalls ein außergewöhnliches Fahrzeug seiner Zeit, zur Restaurierung in das Mercedes-Benz Classic Center kommen sollte, verabschiedete sie die Autos in Madrid fast zeremoniell, und bis zur französischen Grenze begleitete eine bewaffnete Eskorte den Lastwagenkonvoi. Beide Autos gelangten im September 2001 nach Fellbach bei Stuttgart zu den Spezialisten des Mercedes-Benz Classic Center. Die große Limousine vom Typ 770 steht immer noch dort, seine Restaurierungsarbeiten haben begonnen. Die Restaurierung des G4 wurde im Dezember 2004 fertig gestellt und ist ein Geschenk von Mercedes-Benz España an das spanische Königshaus.

Die erste Bestandsaufnahme am G4 in der Werkstatt des Classic Center zeigte zwar zahlreiche Spuren der Zeit, aber insgesamt eine exzellente Substanz. Mit höchster Vorsicht wurde zunächst das Verdeck demontiert und die Karosserie abgehoben und damit das Chassis freigelegt. Danach blieb kein noch so kleines Bauteil während der höchst aufwändigen Restaurierung unangetastet: Alle mechanischen Komponenten wurden zerlegt, gereinigt, instand gesetzt und wieder montiert – der Aufwand, für den die dreijährige Arbeit ein stilles Zeugnis ist. Die Fachleute rekonstruierten manche Funktion der aufwändigen Technik und machten sie wieder benutzbar. Wo es nur ging, blieb originale Substanz erhalten – eine weitere Vorgabe für die Restaurierung. Das ging so weit, dass jede Schraube, jeden Bolzen, jede Hülse genau inspiziert und, wieder aufgearbeitet, nach Möglichkeit wieder an der ursprünglichen Stelle eingesetzt wurde. Oder dass die inneren Teile des Auspuffs, die noch funktionstüchtig waren, belassen wurden, das marode Äußere hingegen originalgetreu rekonstruiert werden musste. Nicht originale Bauteile wurden ersetzt und anhand der alten Zeichnungen nachgefertigt.

Alle drei Achsen des Geländewagens wurden komplett zerlegt und überholt. Dabei präsentierte sich die Antriebsmechanik in einem äußerst guten Zustand. Und doch bietet sie gute Beispiele für den Aufwand, der bei den Arbeiten getrieben wurde: Erst eine 20-Tonnen-Presse im Mercedes-Automobilwerk Untertürkheim konnte die Steckwellen der Hinterachsen lösen. Gereinigt wurden die zahlreichen Zahnräder in einem speziellen Verfahren auf Basis von Dieseltreibstoff – weil damit aufgrund der öligen Konsistenz die Oberflächen zwar sauber, aber nicht vollkommen fettfrei zurückbleiben. Nach Abschluss der Arbeiten konnten die Achsgehäuse nicht einfach mit üblichem Schmiermittel gefüllt werden, denn die Differentiale enthalten Bauteile aus Bronze, die dann angegriffen worden wären, zudem ist eine sehr hohe Scherstabilität des Öls erforderlich. Nach langer Suche entschied man sich für ein spezielles Mittel auf Rizinusbasis.

Apropos Suche: Um wieder vollständig fahrfertig zu sein, benötigte der G4 neue Reifen, inklusive der Ersatzpneus gleich acht Stück. In der geforderten Dimension und Stabilität für das hohe Fahrzeuggewicht und zudem mit einem Geländeprofil sind sie nicht leicht zu bekommen – nach langer Recherche fanden die Fachleute sie in Amerika.

Der G4 hat vier Vorwärtsgänge, die Gänge zwei bis vier sind synchronisiert. Ein Vorgelege-Getriebe sorgt für eine Untersetzung aller Fahrstufen, so dass zusätzlich vier Kriechgänge zur Verfügung stehen. Für die Fahrt im schwierigen Terrain sind die Differentiale selbst sperrend – zur Entstehungszeit des G4 und noch lange danach keine technische Selbstverständlichkeit bei Geländewagen.

Angetrieben wird der G4 von einem Reihen-Achtzylindermotor Typ M24 II mit 5,4 Liter Hubraum, wie er sehr ähnlich beispielsweise auch im Sportwagen Typ 540 K zum Einsatz kommt, dort allerdings mit einem Kompressor zur Leistungssteigerung bei hohen Geschwindigkeiten. Beim G4 verzichteten die Konstrukteure auf den Kompressor, denn das ungefähr 3,7 Tonnen wiegende Auto erreicht schon bei 67 km/h seine Endgeschwindigkeit – die Reifen lassen nicht mehr zu. Das hohe Gewicht ist es auch, das den G4 nur eingeschränkt geländefähig macht.

Die Restaurierungsforderung nach einwandfreiem technischen Zustand heißt: Die Verkehrssicherheit muss gegeben sein. So erstreckten sich die Arbeiten auch auf die Instandsetzung der Bremsanlage – eine hydraulische Zweikreis-Anlage, was den hohen technischen Standard der Gesamtkonstruktion belegt. Neben der Überholung der entsprechenden Mechanik wurden dazu neue Bremsleitungen eingezogen, die eigens angefertigt wurden: Kupferleitungen in der geforderten Dimension und Festigkeit gibt es nicht aus dem Regal. Gleiches gilt für die Kraftstoffleitungen, die gleichfalls eine Spezialanfertigung sind. Wie die Leitungen in das Chassis eingezogen wurden, gleicht fast einem Kunstwerk, so ebenmäßig präsentieren sie sich heute wieder. Der bremsende Fahrer bekommt übrigens findige Unterstützung, um das mächtige Fahrzeug angemessen zu verzögern: Mit Hilfe eines Unterdruckzylinders übt ein Kolben per Seilzug-Mechanismus zusätzliche Kraft auf das Bremspedal aus. Diese Technik inklusive einer Ledermanschette im Unterdruck-Behälter wurde rekonstruiert. Bei der Kraftstoffversorgung gingen die Konstrukteure des G4 ganz auf Nummer sicher: Er hat zwei elektrische Benzinpumpen, dazu eine mechanische und, wenn alles ausfallen sollte, noch die Möglichkeit, den Motor mittels Fallbenzin aus dem Reservekanister zu versorgen.

Die Optik des Chassis mit allen Komponenten entspricht nach der Instandsetzung wieder den 1930er Jahren. Sie war damals recht schmucklos, zum Beispiel wurden zahlreiche Teile nicht im Sprühnebel, sondern mit dem Pinsel lackiert, mit entsprechender Oberfläche als Ergebnis – diese Methode wurde deshalb bei der Restaurierung auch wieder angewendet, denn höchste Originalität war immer im Blick.

Der G4 hat zahlreiche elektrische Funktionen und damit einen sehr komplexen Schaltplan. Dieser jedoch stand auf dem Papier nicht mehr zur Verfügung. In akribischer Kleinarbeit wurde er rekonstruiert, schließlich ein neuer Kabelbaum angefertigt, eine höchst aufwändige Angelegenheit: Beispielsweise hat der G4 einen Zentralschalter, der sämtliche elektrischen Verbraucher außer Funktion setzt – nur die Elektrikkomponenten für den Betrieb des Motors erhalten weiterhin ihre Energie. Jeder einzelne Schalter des G4 wurde demontiert und wieder instand gesetzt, mitunter mit feinsten Werkzeugen, die eher an einen Zahnarzt denn an einen Automobilspezialisten erinnern. Selbst die zartblaue Beleuchtung einer nachträglich im Cockpit angebrachten Marienplakette erglimmte neu mit Hilfe eigens modifizierter Miniatur-Glühbirnen. Sämtliche Instrumente wurden überholt, und die Ganggenauigkeit der elektrischen Uhr wurde wochenlang beobachtet und nachreguliert. Heute zeigt sie die Zeit wieder fast so genau wie eine moderne Quarzuhr an. Der orangefarbene Kunststoff in den Richtungs-Winkern war marode, adäquater Ersatz ist wieder eingebaut. Das Röhrenradio spielt nach einer Intensivkur wieder wie einstmals. Und bei Bedarf kann sich das Auto mit Hilfe von vier Hupen – umschaltbar zwei für den Stadtverkehr und zwei lautere für die Überlandfahrt – sowie einer Sirene Gehör verschaffen.

Die Karosserie blieb weitgehend unangetastet, sie sollte optisch ausdrücklich nicht restauriert werden. Die Spezialisten reinigten den Lack und polierten die Chromteile, doch kaum mehr geschah. Lediglich die unteren Partien der Türen waren von Rost befallen, der selbstverständlich beseitigt wurde. Unterhalb des Karosserieblechs befinden sich stabilisierende Holzelemente – die damals übliche Bauweise auch bei Autos. Das Holz war in gutem Zustand, und so wurde es nur gereinigt und mit einem Spezialfluid getränkt, um es vor Austrocknen zu schützen.

Das Interieur zeigt zwar die Spuren eines Alters von mehr als 65 Jahren, doch ist es in nahezu einwandfreiem Zustand – auch Dank der Pflege durch die Königliche Garde. Sollte es behutsam restauriert werden, wird das in Spanien geschehen; dort hat man viel Erfahrung bei der Instandsetzung beispielsweise von wertvollen Pferdekutschen. Vom Fachwissen der dortigen Spezialisten kann auch der G4 profitieren.

Nachdem das Chassis des königlichen G4 sich wieder fast wie im Neuzustand präsentierte, rollte das Fahrzeug auf der Einfahrbahn im Mercedes-Benz Werk Untertürkheim zu Probefahrten, um die einwandfreie Funktion aller Bauteile sicherzustellen – noch ohne Karosserie. Letzte Arbeiten an der Technik wurden erledigt, Feineinstellungen vorgenommen. Dann kam der große Moment: Die Karosserie wurde wieder aufgesetzt und verband sich in der „Hochzeit“, wie dieser Akt in der Automobilsprache heißt, schon einmal wie 1939 mit dem Chassis. Der G4 entstand neu, 66 Jahre nach seiner ersten Vollendung.

Nun befindet sich im Fuhrpark des spanischen Königshauses ein wahrlich einzigartiges Fahrzeug: Der äußerst seltene Geländewagen Mercedes-Benz G4, fahrbereit mit komplett revidierter Technik, aber mit allen bewusst erhaltenen Spuren seines ehrwürdigen Alters. Damit ist er ein ganz besonderer Zeuge der Zeit- und Technikgeschichte.

Allgemeine Daten über den Mercedes-Benz G4 (Baureihe W 31)

Schwerer geländegängiger Pkw, entwickelt für die Reichswehr.

Gebaut: 1934 bis 1939

Stückzahl: 57

Heute existent: 3 Fahrzeuge gelten als absolut authentisch. Weitere sind bekannt, doch gibt es wie bei anderen seltenen Mercedes-Benz Klassikern Nachbauten und Fälschungen.

Der G4 des spanischen Königshauses

Baujahr: 1939

Bestellt von der Reichskanzlei in Berlin

Geschenk an General Franco.

Heute im Besitz der Automobilsammlung des spanischen Königshauses.

Wurde gepflegt und instand gehalten von der Königlichen Garde im Königspalast El Pardo, Madrid.

Restaurierung im Mercedes-Benz Classic Center von September 2001 bis Dezember 2004, Auftrag: Instandsetzung der Technik, keine Arbeiten an Karosserie, Innenausstattung, Verdeck, um die Patina zu erhalten und die Historie nicht zu zerstören. Alte und originale Bauteile wurden erhalten, wenn immer möglich. Nicht originale Bauteile wurden ersetzt und anhand der alten Zeichnungen nachgefertigt.

Allgemeine technische Daten des Mercedes-Benz G4, Baureihe W 31, 1934 – 1939

Allgemeine Daten

Radstand: 3100 + 950 mm

Spur vorne/hinten: 1620/1570/1570 mm

Maße L x B x H: 5360-5720 x 1870 x 1900 mm (mit Verdeck)

Bodenfreiheit: 233 mm

Wendekreis: 17 m

Wagengewicht: ca. 3700 kg (fahrbereit)

Zul. Gesamtgewicht: 4400 kg

Höchstgeschwindigkeit: Reifenbedingt erlaubt 67 km/h

Verbrauch: 28 Liter im Straßenbetrieb, 38 Liter im Gelände

Kraftstofftank: 90 Liter, manche Fahrzeuge 140 Liter

Motor

Daimler-Benz M24 bzw. M24 II, Reihenachtzylinder

Hubraum: Zunächst 5018 cm3, später 5401 cm3

Bohrung x Hub: 86 x 108 mm bzw. 88 x 111 mm

Leistung: 100 PS bzw. 110 PS bei 3400/min

Drehmoment: 28,8 mkg bei 1400/min

Verdichtungsverhältnis: 1:5,6 bzw. 1:5,2

Gemischaufbereitung: 1 Doppelvergaser

Ventile: hängend, seitliche Nockenwelle, Antrieb durch Stirnräder

Kühlung: Pumpe, 26 Liter Wasser

Schmierung: Druckumlauf, 10 Liter Öl

Batterie: 12 V 60 Ah bzw. 12 V 105 Ah

Lichtmaschine: 130 W

Anlasser: 1,5 PS bzw. 1,8 PS

Kraftübertragung

Antrieb auf vier Hinterräder, 2 selbst sperrende Differentiale

Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung

Getriebe: 4-Gang-Schaltgetriebe und Vorgelege-Getriebe

Übersetzungen: I/4,10, II/2,21, III/1,49, IV/1,00

Antriebs-Übersetzungen Vorgelege: Straße/1,00, Gelände/3,06

Fahrwerk

Kastenprofil-Rahmen

Vorderradaufhängung: Starrachse, Halbfedern

Hinterradaufhängung: 2 Starrachsen, beiderseits je 1 Halbfeder für 2 Räder

Lenkung: Schraubenspindel

Bremsen: Zweikreis-Anlage, hydraulisch mit Saugluftunterstützung, auf Vorder- und Hinterräder wirkend, mechanische Hand-Feststellbremse auf vordere Hinterräder wirkend

Schmierung: zentral

Räder: Stahlscheiben mit Tiefbettfelgen L 4,00 F x 17 bzw. bei Verwendung beschusssicherer Reifen 6,00 F x 17

Reifen: 7,5-17 mit Geländeprofil (normal oder beschusssicher)

Seitenangaben beziehen sich auf "In Fahrtrichtung gesehen"


Das Aufsetzen des Chassis auf den Fahrwerksrahmen

Die Doppel-Hinterachse von links

Details der Hinterachse

Ein Blick von rechts auf das Armaturenbrett

Das aufgesetzte Chassis von hinten links

Ein Blick von oben auf den eingebauten Motor auf dem nackten Fahrwerksrahmen

Der fertig restaurierte Wagen - eine echte Schönheit

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