MAN 22.240

 

Das Original

Nicht der gesamte Logistikbedarf der Bundeswehr während des Kalten Krieges erforderte geländegängige Transportfahrzeuge. Entsprechend trug man gegen Ende der 70er Jahre dem Umstand Rechnung, dass für einen großen Teil der im Inland anfallenden Aufgaben straßentaugliche, aus handelsüblichen LKW-Baureihen abgeleitete und nur minimal dem militärischen Bedarf angepasste ("teilmilitarisierte") Fahrzeuge vollkommen ausreichend waren. Ein häufiger Vertreter der unter dieser Prämisse beschafften Fahrzeugklassen ist neben anderen Lkw wie etwa dem MB 1017 oder dem Magirus-Deutz 110-17 der MAN 22.240, kurz "Zehntonner, handelsüblich" genannt. Basierend auf der in den 80er Jahren weit verbreiteten MAN F8 – Nutzfahrzeugreihe kam dieses Fahrzeug mit kleinen Änderungen wie etwa Staukästen, Dachluke, geänderter elektrischer Ausstattung, Hakenkupplung etc. in die Truppe. Etwa zeitgleich beschaffte die Bundeswehr auch den "kleinen Bruder" des Zehntonners, den zweiachsigen 7-Tonner MAN 15.192, sowie einen allradgetriebenen Sattelschlepper, der neben dem Nachschubwesen zunächst vor allem bei den beiden Pershing-Regimentern der Luftwaffe Verwendung fand.
Mit der Konzentration des Nachschubwesens auf die Versorgung einer Einsatzarmee ist zu erwarten, dass der nicht geländegängige und wenig einsatztaugliche Teil des Fuhrparkes, zu dem die mittlerweile recht betagten MAN gehören, mittelfristig aus den Beständen der Truppe herausgelöst bzw. dessen Aufgabenbereich zunehmend von zivilen Transportunternehmen bedient werden wird.

Der Bausatz

Der 22.240 gehörte schon seit langem zu einem meiner absoluten Wunschmodelle. Leider ist das Interesse an den vielleicht etwas weniger spektakulären Nachschubfahrzeugen der Bundeswehr seitens der Modellhersteller gering, sodass ein brauchbarer Bausatz zunächst nicht verfügbar schien.
Die Geschichte dieses Modells begann prinzipiell mit jenem großen Restehaufen, den der Bau meiner beiden Roland – Flugabwehrraketenfahrzeuge hinterließ. Neben jeder Menge Kleinkram blieben hier nämlich auch zwei komplette Pritschenaufbauten des geländegängigen Zehntonners von Revell übrig. Etwa zeitgleich entdeckte ich in Internet auf www.scale35.com die Vaku-Bausätze der Firma HSV, die sich auf Fahrzeuge des Österreichischen Bundesheeres spezialisiert hat. (Für genauere Infos zum Thema Vaku-Modelle siehe die Rubrik "Tipps & Tricks".) HSV bietet den MAN F8 in zahlreichen Varianten an, was mich auf die Idee brachte, mit der Kombination der Revellreste und eines solchen Vakumodelles einmal mein Glück zu versuchen.
Der MAN von HSV ist, soweit man diesen Maßstab bei einem Vakumodell anlegen kann, von recht guter Formenqualität. Die Details der Teile sind zwar nicht so deutlich und scharf wiedergegeben wie bei einem Spritzgussmodell, zumindest betreffend der für den Umbau benötigten Teile aber absolut ausreichend. Der Bausatz umfasst zwar nur ein Chassis mit Fahrerhaus, ohne Pritsche oder andere Aufbauten, liefert dafür aber eine große Zahl von variablen Baugruppen wie unterschiedlich große Tanks, Teile für eine 6x4 und 6x6 – Version usw. Die Räder und Felgen liegen als erstklassige Resinteile bei, lediglich die Klarsichtteile enttäuschen, da die gewölbte Vaku-Frontscheibe stark getrübt ist, die aus dünner Folie bestehenden Seitenteile hingegen wenig stabil erscheinen. Die Bauanleitung ist spartanisch, aber ausreichend, wobei bei mancher Skizze durchaus längeres Betrachten zur Identifikation einzelner Teile vonnöten ist.

Der Bau

Chassis und Fahrerhaus

Hat man sich nach einigen Anfangsschwierigkeit an das Bauen mit Vakuteilen gewöhnt, so gehen Ausschneiden, Versäuberung und Zusammenbau zügig voran: Sowohl die Kabine als auch der Fahrzeugrahmen wurden aus Vaku aufgebaut, wobei ich die Querstreben des Rahmens der besseren Stabilität wegen aus Plastiksheet fertigte. Ferner entstanden die Gelenkwellen unter dem Fahrzeug aus Gießastresten und das Auspuffrohr aus zurechtgebogener Drahtisolierung. Überall dort, wo es passend erschien, etwa bei der Aufhängung der Druckluftvorratsbehälter, habe ich ausserdem hemmungslos Plastikteile aus der Grabbelkiste zurechtgeschnitten und verwendet.
Ein wenig knifflig war die Ausrichtung der Resin-Räder, hier musste auf Genauigkeit geachtet werden, um ein Schiefstehen des fertigen Modells zu vermeiden.
In der Kabine ersetzte ich die Vaku-Sitze durch die Fahrersitze der beiden Revellmodelle. Das Lenkrad aus Resin schenkte mir scale35.com freundlicherweise zum Bausatz dazu, die Lenkstange wurde aus einem Zahnstocher gefertigt. Auf großartige weitere Details habe ich im Innenraum, der ohnehin durch die trüben Scheiben nur wenig einzusehen ist, verzichtet, statt dessen mussten noch die Fensteröffnungen in den beiden Kabinentüren mittels schmaler Plastikstreifen in drei Fensterflächen unterteilt werden, anschließend erfolgte der Einbau der Verglasung – vorn wohl oder übel das Vaku-Glasteil, seitlich der besseren Stabilität wegen zurechtgeschnittene starke Klarsichtfolie - bevor es an die farbliche Gestaltung des Kabineninneren gehen konnte.
Nach der Bemalung konnte das Fahrerhausdach aufgesetzt werden. Hier stimmte die Vakuform nicht ganz, das Dach erwies sich als zu kurz, sodaß ein rechtwinklig zur Fahrerhausrückwand eingeklebter Plastikstreifen Abhilfe schaffen musste. Die Dachluke ist ein weiteres Revellteil, einfach aufs Dach aufgeklebt und ebenso wie die gesamte Kabine abschließend verspachtelt.
Etwas kniffeliger war der Nachbau der Kupplung im vorderen Stoßfänger, zwischen den Frontscheinwerfern. Nach dem vorsichtigen Ausschneiden der Öffnung wurde hier aus dünnem Plastiksheet das Kupplungsmaul nachgeformt und mit einem Bolzen aus gebogenem Draht detailliert.
Die Träger für Beleuchtung und Nummernschild am Heck sind ebenfalls aus Plastikresten gefertigt, ebenso wie die Hakenkupplung dort.

4)Pritsche & Plane

Betreffend der Pritschenseitenwände kam mir ein glücklicher Zufall zur Hilfe: Zwar ist das Profil der Seiten des Revell - Zehntonners (10to mil gl) ein anderes als das des 22.240, was unter anderem damit zusammenhängt, dass aufgrund der deutlich größeren Bodenfreiheit des 10 to mil gl die Verriegelungen usw. tiefer angebracht sind, um erreichbar zu bleiben. Der Trick bei der ganzen Sache: Dreht man diese Seitenteile des Revellmodelles auf den Kopf, also mit der eigentlichen Oberkante Richtung Boden, so entsprechen sie (fast) denen des 22.240. Ich musste folglich die die Revellteile nur von ihren Handläufen befreien und die Seitenrungen unten etwas einkürzen, um diese anschließend verkehrt herum am Pritschenboden zu befestigen und annähernd korrekte Pritschenseiten zu erhalten.
Bei der Heckklappe funktioniert diese Methode leider nicht, sie wurde 1:1 von Revell übernommen und ist am 22.240 folglich nicht ganz korrekt. Ich habe hier mal ein Auge zugedrückt?;-)
Die Befestigung der Pritsche auf dem Chassis erfolgt mittels der in den Revellbausätzen enthaltenen Querträger, die ich nach dem "trial-and-error"-Prinzip eingepasst habe. Zuvor müssen noch die beiden großen Staukästen und die Spritzschutzgehäuse für die Hinterräder von unten an die Pritsche geklebt werden. Letztere habe ich aus dünnem Plastiksheet geformt – und verflixt noch mal nicht 100%ig rund hingekriegt?
Nachdem Pritsche und Chassis einmal verbunden waren, habe ich meinem LKW noch ein spezielles Detail hinzugefügt: Ab 1994 wurden sämtliche nichtgeländegängigen Bundeswehr-LKW, aktuellen Sicherheitsnormen des europäischen Strassenverkehrs folgend, mit einem Unterfahrschutz aus Leichtmetallträgern seitlich in Rahmenhöhe ausgerüstet, um bei einem Unfall mit einem Pkw ein Einkeilen und Überrollen dessen durch den LKW zu vermeiden. Am Modell entstand dieser Unterfahrschutz aus Plastik- und Vakuresten und wurde von unten an die Pritsche geklebt (er ist mir, wie ich im Nachhinein sagen muß, übrigens ein wenig zu kurz geraten).
Mit der Plane galt es, eine weitere Hürde zu nehmen. Ich wollte unbedingt eine Hochplane haben, da der wuchtige Eindruck dieser am Modell mir persönlich am besten gefällt. Allerdings hatte ich Zweifel, ob eine in der klassischen Weise aus leimgetränktem Taschentuch hergestellte Plane die notwendige Stabilität besessen hätte, angesichts der Tatsache, dass dann gerade die großen Planenflächen des 22.240 dann sehr anfällig für kaum mehr korrigierbare Beschädigungen gewesen wären.
Die Lösung dieses Problems war im wahrsten Sinn des Wortes billig: Ein simple, feste Supermarkt-Plastiktüte lieferte perfektes Planenmaterial: Reißfest und präzise auszuschneiden und zu verarbeiten, ließen sich die zurechtgeschnittenen Stücke ganz einfach mit Sekundenkleber auf das vorher aus Schaschlikstäbchen und Plastikstreifen aufgebaute Spriegelgerüst kleben. In derselben Weise entstanden auch die beiden dreieckigen Planenstücke über den Belüftungsschlitzen auf der Planenvorderseite.
Es blieben noch die Verzurrungen der Plane zu erstellen: Ich habe hierzu Stücke aus dünnem Draht, entweder als längeres gerades Segment oder zurechtgebogen zu einem "V", plan auf die Seiten aufgeklebt, um die Illusion einer zwischen Fahrzeugaufbau und Plane hindurchgefädelten Schnur zu erzeugen. Auf den Pritschenseiten habe ich die V-Drähte schlicht um die dort angedeuteten Zurrösen herumgelegt. Die wirklich perfekte Lösung wäre sicherlich ein Nachbau auch dieser Ösen aus Draht gewesen, um den korrekten Verlauf der Zurrung darzustellen, ich habe allerdings angesichts der Tatsache, dass das Zurechtbiegen der Drahtstückchen aufwendig genug war, darauf verzichtet. Generell ist der Verlauf der Planenzurrung des Modells nicht 100%ig vorbildgetreu, im Rahmen meiner Möglichkeiten bin allerdings der Meinung, dass dies so ausreicht.

Was nun noch blieb, war ein Verfeinern und Nachdetaillieren des gesamten Fahrzeuges mit Scheibenwischern, Handläufen, Blinkern, Türgriffen, Rückspiegeln und zahlreichen weiteren Details, bei denen ich neben Plastiksheet und Draht auch immer wieder Teile aus der Grabbelkiste verwendete.

Bemalung/Alterung

Nach dem Abdecken der Fahrerhausverglasung mittels Revell Colour Stop wurde das gesamte Modell in XF-1 schwarz grundiert. Nach der vollständigen Trocknung wurde die Plane nocheinmal mit Revell Steingrau aus der Sprühdose überlackiert. Trotz allem erscheint mir die Farbhaftung der gängigen Modellbaufarben gerade im Bereich der Kanten auf der Plastiktüte eher ungenügend, weswegen bei den nächsten in dieser Weise gebauten Planen wohl ein stärkerer Haftgrund zum Einsatz kommen wird.

Nun wurde das Fahrzeug zunächst deckend XF 67 NATO Green lackiert, anschließend zuerst die XF 68 - braunen, danach die XF 69 - schwarzen Flecken aufgebracht, indem ich zuerst mit dem Pinsel und ausreichend verdünnter Farbe die Aussenkanten der Flecken aufmalte und diese dann mit der Airbrush "ausfüllte". Beim Fahrzeug selber hielt ich mich an einen aus dem Internet besorgten Tarnplan, lediglich bei der Plane fehlte das Referenzmaterial, sodaß ich hier bei der Form der Flecken ein wenig improvisieren musste.
Um einen Tiefen- und Verwitterungseffekt zu erzielen, wurden anschließend alle Vertiefungen und Winkel im Modell mit stark verdünnter schwarzer Farbe und einer feinen Düse schattiert, in einem zweiten Arbeitsgang die Tarnflecken mit jeweils mit etwas Weiß aufgehelltem Grün, Braun oder Schwarz von der Mitte her aufgehellt. Nach der Bemalung der Details per Pinsel und dem Aufbringen der Decals (Danke Carsten!) wurde das Modell mit schwarz-brauner Ölfarbbrühe gewaschen, anschließend mit Dunkelgrau und Hellgrün trockengebürstet. Vor allem an der Plane löst sich der Tarnanstrich des Originals leicht wieder ab, daher ist diese Alterungsstufe hier besonders deutlich ausgefallen.
In einem letzten Schritt schließlich wurde das gesamte Modell von den Radkästen her mit Farbnebeln aus stark verdünntem Flat Earth und Buff "eingestaubt".

Fazit

Zeit für etwas ehrliche Selbstkritik: Wer nun die Fotos des Modells mit denen des Originals vergleicht, der wird keine Mühe haben, an zahlreichen Stellen wie etwa der Plane Abweichungen festzustellen. In vielen Bereichen, mit denen ich mich ab einem gewissen Punkt einfach zufrieden gegeben habe, hätte man noch wochenlang weiterdetaillieren und scratchbauen können. Ich für meinen Teil behaupte einfach mal, einen ganz guten Mittelweg zwischen Vorbildgetreue auf der einen und vernünftiger Realisierbarkeit auf der anderen Seite gefunden zu haben – und hatte dennoch jede Menge Spass beim Bau.

Ich persönlich habe mir mit diesem LKW einen langgehegten Wunsch erfüllt. Es ist ein wahres Multimedia-Modell, so ziemlich alle gängigen Materialien wie Plastikspritzguss, Vaku, Resin, Holz und Metall wurden verwendet. Die Methode der Planenherstellung aus Plastiktüte hat sich bewährt, ich werde beim Bau eines passenden Anhängers zum MB 1017 mit Sicherheit noch einmal darauf zurückgreifen.

So, wie er hier steht, ist der MAN 22.240 ein Modell für Leute, die Freude am Selbermachen haben, und ausserdem wohl eher nichts für Anfänger. Truck- und Bundeswehrfans allerdings, die die notwendigen Reste zuhause haben und ca. 50 Euro in das Vaku-Basismodell investieren möchten, erhalten hier eine absolute Rarität im Maßstab 1:35 mit schier unendlichen weiteren Detaillierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, gerade auch in Dioramen: Verladung von Artilleriemunition? Transport von zwei AFV Club – Wieseln auf einem abgeplanten 22.240? Es müssen halt nicht immer Panzer sein?;-)

Preis / Leistung: ***** Paßgenauigkeit: *****
Detailierung: ***** Schwierigkeitsstufe: *****

© 01/2004 Golo Bartsch

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